Haushaltsrede zum Kreishaushalt 2019

A. Claus

Das bedeutet, die Verteilungsfrage endlich wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Erst wenn wir dadurch auch hier im Kreistag wieder Spielräume haben, um mehr zu tun, als Mangel zu verwalten, werden die Menschen wieder Vertrauen in die Demokratie zurückgewinnen.

Haushaltsrede MK 2019 – Es gilt das gesprochene Wort

Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrte Damen und Herren,

Kämmerer und Landrat haben bei der Einbringung des Haushaltes schon darauf hingewiesen: Die Rahmenbedingungen sind gut. Die Steuereinnahmen sind hoch, die Kosten für Soziales verhältnismäßig gering. Dennoch soll der Haushalt mit einem Defizit geplant werden. Und das, obwohl selbst kleinste zusätzliche Ausgaben, wie die von meiner Fraktion beantragte Aufstockung der Sportförderung in einer Größenordnung von rund 0,004 % des Haushaltsvolumens, keine Aussicht auf einen Einzug in das Planwerk haben. Wir hoffen hier auf mehr Unterstützung des Kreissportbundes im nächsten Jahr.

Man muss sich trotz der hohen Steuereinnahmen eines vor Augen führen: diese müssten eigentlich noch viel höher ausfallen. Denn es werden weiterhin große Konzerne wie Apple und Amazon praktisch gar nicht besteuert. Weiterhin gibt es keine Vermögensteuer und die Erbschaftssteuer hat mit ihren ganzen Ausnahmen ebenfalls Luft nach oben.

Das, was sich der Staat bei den oberen 1% der Gesellschaft nicht holt, fehlt an anderer Stelle – und führt dazu, dass sich öffentliche Haushalte verschulden. Und bei wem verschulden sich die öffentlichen Haushalte dann?

Im Endeffekt wieder bei dem schon angesprochenen 1%. Deren Vermögen – das stetig wächst, weil sich außer den LINKEN da niemand heranwagen möchte - wird dann auf diesem Weg durch den Zinsdienst der öffentlichen Hand auch noch weiter vermehrt. Die Schulden des Einen, sind nun mal das Vermögen des Anderen.

Der vorliegende Haushaltsentwurf ist und bleibt ein reiner Verwaltungshaushalt, ohne große Ambitionen. Innovative Projekte, wie die von uns beantragte Einführung von Wasserstoffbussen bei der MVG, sucht man hier vergebens.

Dazu ein Satz an Karsten Meininghaus: Sie müssen sich damit etwas intensiver beschäftigen. Denn es ist nicht so, dass die Technik nicht ausgereift sei, nur weil deutsche Hersteller hier den Trend verschlafen haben und es ist gerade die Wasserstofftechnologie, nicht der Elektroantrieb, die für unsere Topographie geeignet ist. Wenden Sie sich an die Stadt Wuppertal, die können ihnen das gut erklären.

Dabei bietet sich die Kreisebene an, eine Verkehrswende zu organisieren. Auch wenn wir ein ländlich geprägter Kreis sind könnte im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs mehr Engagement gezeigt werden. Warum wird die Ruhr-Sieg-Strecke nicht vielmehr als wichtige Achse begriffen, die zum Beispiel Plettenberg und Werdohl näher an Iserlohn heranrückt? Genauso ist die Strecke ein schneller und komfortabler Weg, um unsere Burg Altena zu erreichen.

Warum wird nicht der Versuch unternommen, gemeinsam mit der MVG und den Städten und Gemeinden im Kreis den Nahverkehrsplan weiterzuentwickeln? Moderne Tarifstrukturen, z.B. das aus Wien bekannte 1 Euro pro Tag - Ticket gehören genauso dazu, wie eine Konzeption zur Anbindung der kleineren Städte und Gemeinden an die größeren kreisangehörigen Städte wie Lüdenscheid und Iserlohn. Dazu gibt es durchaus vorhandene Ansätze, wie den Verkehrsentwicklungsplan Iserlohn-Hemer-Menden. Man müsste nur endlich mal von der reinen Verwaltung der Zustände abkommen, und so etwas in Angriff nehmen.

Doch noch einmal zurück zu den Grundstrukturen des vorliegenden Haushaltsentwurfs. Während der Bund derzeit wegen der guten Konjunktur auf Milliardenüberschüssen sitzt, ist der Märkische Kreis nach wie vor der am stärksten verschuldeten Kreis im Regierungsbezirk Arnsberg. Zukunftsweisende Investitionen sind in den Kommunen NRWs Mangelware. Die Städte in NRW investieren pro Kopf weniger als halb so viel wie die Städte in Bayern. Es gibt einen riesigen Investitionsstau von mehr als 125 Mrd. Euro in unserem Bundesland. Dieser betrifft alle Bereiche des öffentlichen Lebens, seien es Straßen und Bahnstrecken, KITAs oder Schulgebäude. Und während man im Bund den Militärhaushalt aufstockt fehlt uns hier vor Ort das Geld, um zusätzliche Buslinien auf die Straßen zu bringen und diese mit neuen Antriebsarten auszustatten, oder für den Ausbau von Kindertagesstätten. In NRW fehlen 100.000 KITA-Plätze! Bei uns im Kreis wurde der Förderschulstandort Hemer aus Kostengründen gegen die Stimmen meiner Fraktion geschlossen. Es fehlt an allen Ecken und Enden.

Eine Sache noch zum Thema KITA: Es ist nicht nachvollziehbar, warum der Kreistag nicht einmal unserem Prüfauftrag folgen möchte, um zu sehen, was eine weitere Anhebung der Freigrenze für Eltern mit geringen Einkommen in der Summe ausmacht. Das Beitragsvolumen soll um knapp 700.000 Euro steigen. Warum schaut man sich nicht einmal an, ob man einen Teil davon nutzen kann, um Familien mit weniger als 3000 oder 3500 Euro brutto im Monat von den KITA-Beiträgen zu befreien?

Und da muss ich doch nochmal etwas zu Karsten Meininghaus sagen. Sie haben vorhin über die Mittelschicht gesprochen. Das mittlere Nettoeinkommen von Familien der Mittelschicht liegt bei rund 3500 Euro. Netto. Deswegen wollen wir auch die Beitragsfreigrenze weiter erhöhen, um die untere Mittelschicht zu entlasten. Wie Sie darauf kommen, dass wir die Mittelschicht mehr belasten wollen erschließt sich wohl nur einem CDU-Mitglied, dass sich Herrn Merz als Vorsitzenden gewünscht hat, der sich mit einem Millioneneinkommen der oberen Mittelschicht zurechnet.

Ich möchte an dieser Stelle langsam zum Ende kommen. Es wird Sie nicht überraschen, dass wir auch in diesem Jahr das Planwerk ablehnen werden. Es bleibt mir der Verweis auf meine vorherigen Haushaltsreden, denn das dort gesagte gilt weiterhin, wie zum Beispiel der Umstand, dass sie es auch heute wieder abgelehnt haben, die Teil-Privatisierung der Reinigungskräfte zurückzunehmen.

Auch auf die Gefahr hin mich zu wiederholen möchte ich abschließend ein paar Worte zu unserer Demokratie sagen. Zahlenwerke wie dieser Haushalt zeigen, dass unsere Demokratie unter der „Marktkonformität“ leidet. Es fehlen die notwendigen finanziellen Spielräume, um die alltäglichen Probleme zu lösen. Und wenn Politik es nicht schafft den vorhandenen Reichtum zum Wohle Aller einzusetzen, dann schafft sie sich selbst ab, denn ihre Legitimation schwindet immer weiter.

Wenn auf der einen Seite riesige Dividenden ausgeschüttet werden, auf der anderen Seite aber KITA-Plätze fehlen, Schulgebäude bröckeln oder gargeschlossen werden, und es allerorten zu einem Verkehrskollaps kommt, sei es auf der Straße oder der Schiene, dann braucht man sich nicht zu wundern, dass die Menschen den Glauben in unsere Demokratie verlieren.

Hetzmedien wie die BILD lenken den aufkommenden Unmut dann auf hier ankommende Flüchtlinge, deren Kommen auch wieder nur das Ergebnis der deutschen Waffenexporte, der Freihandels-Ideologie mit ihrer zerstörerischen Wirkung auf die Wirtschaft in Afrika und anderswo, sowie der verfehlten Außenpolitik (Stichwort: sogenannte Militärinterventionen) ist. Alternativ wird der Unmut dann noch auf den bösen Russen, Ausländer im Allgemeinen oder Hartz IV – Empfänger gelenkt. Schaut man sich das genau an und schaut man in die Geschichte kommt einem das beängstigend bekannt vor.

In Frankreich entlädt sich der Protest gegen die „Politik für die Wenigen“ gerade auf der Straße. In welche Richtung das geht ist ungewiss. In den USA regiert Donald Trump. In Brasilien ein ausgemachter Faschist. Auch in Deutschland gibt es Rechtsradikale in den Parlamenten.

Schlimmeres wird man nur verhindern, wenn man aufhört, Politik für das obere 1 % zu machen. Das bedeutet, die Verteilungsfrage endlich wieder auf die Tagesordnung zu setzen. Erst wenn wir dadurch auch hier im Kreistag wieder Spielräume haben, um mehr zu tun, als Mangel zu verwalten, werden die Menschen wieder Vertrauen in die Demokratie zurückgewinnen.

Ich wünsche Ihnen Allen dennoch frohes Fest und ein gutes Jahr 2019.