Haushaltsrede zum Kreishaushalt 2018

A. Claus

Derzeit ist DIE LINKE die einzige Partei, die die Verteilungsfrage ernsthaft stellt

Sehr geehrter Herr Landrat,
sehr geehrte Damen und Herren,

 

ich komme nun zu der mit Spannung erwarteten sechsten Rede zum Haushaltsentwurf für das Jahr 2018.

Bei der Durchsicht meiner Rede aus dem letzten Jahr habe ich festgestellt, dass sie nichts an Aktualität eingebüßt hat. Sie sollten sie sich noch einmal durchlesen, denn manchmal braucht es einfach seine Zeit, bis die Ideen der LINKEN von den anderen Parteien aufgenommen werden und sich zumindest das ein oder andere in die richtige Richtung bewegt.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche mir noch ein bisschen mehr davon, denn ich will mit einem Beispiel dafür weitermachen.

Der Mindestlohn, der dann letztendlich von CDU und SPD - zwar deutlich zu niedrig und löchrig - eingeführt wurde, ist ein solches Beispiel. Aus aktuellem Anlass: Zum Antrag auf Erhöhung des Mindestlohns auf 12 Euro pro Stunde – darunter landet man übrigens definitiv in Altersarmut – haben CDU und SPD gestern natürlich mal wieder eine ablehnende Haltung eingenommen.

Hier vor Ort haben wir eine vergleichbare Geschichte. DIE LINKE hat jahrelang die Einführung eines Sozialtickets gefordert und nun ist es endlich da. Wir werden jedoch weiter landesweit für einen steuerfinanzierten, fahrscheinfreien, öffentlichen Nahverkehr streiten. Günstige Tickets für immer mehr Menschen sind jedoch ein Schritt in die richtige Richtung. Hier gilt es vor Ort praktikable Lösungen zu finden.

Die einzige Fraktion, die neben der LINKEN ebenfalls für die Einführung des Sozialtickets gewirkt hat, war die GRÜNE-Fraktion.
 

Es entbehrte daher nicht einer gewissen Komik, dass in einem WDR-Beitrag ausgerechnet der FDP-Fraktionsvorsitzende Axel Hoffmann in einem MVG-Bus sitzend die Sinnhaftigkeit des Sozialtickets erklären durfte. Genau der Axel Hoffmann, der mit seiner FDP in den vergangenen Jahren stets die Einführung eines solchen Tickets abgelehnt hatte, ebenso wie die Vertreter von CDU, SPD und UWG.
Humor kann man dem WDR jedenfalls nicht absprechen. Und Herrn Hoffman nicht ein gewisses Schauspieltalent.

Fakt ist jedoch, dass die große Mehrheit in diesem Hause es zu verantworten hat, dass nach den aktuellen Berechnungen zum Sozialticket der MVG und damit indirekt dem Kreis und seinen Städten und Gemeinden, in den letzten Jahren Mehreinnahmen von rund 10 Mio. Euro entgangen sind.
Das ist ein großes Versäumnis, dass Sie zu verantworten haben. Ich werfe Ihnen das explizit vor, weil der aus meiner Sicht wichtigere Aspekt – die Mobilität für Menschen mit wenig Geld – für Sie praktisch keine Rolle spielt. Daher haben Sie sich auch keine Mühe gemacht, die in den Vorjahren von der Verwaltung vorgetragenen, an den Haaren herbeigezogenen Zahlen zu hinterfragen. Ebenso wenig haben Sie auf uns hören wollen, die Ihnen auch in der Vergangenheit schon eine solche Rechnung aufgemacht haben, wie sie die MVG nun vorgelegt hat.
Ich hoffe, dass Sie, die große Mehrheit in diesem Raum, vielleicht gerade der Vorwurf nicht richtig gewirtschaftet zu haben, besonders trifft. Geht es doch in der Regel bei vielen Entscheidungen hauptsächlich um Geld.

Und um Geld ging es auch, bei der Einstellung des ambulanten Pflegedienstes durch die Märkischen Kliniken. Der Rückzug der öffentlichen Hand aus immer mehr Lebensbereichen macht auch hier nicht Halt, weil Sie, meine Damen und Herren, der irrigen Annahme unterliegen, dass die Versorgung von Menschen einzig unter dem Kostenaspekt gesehen werden muss.
Wir hätten die Schließung gerne in einem Gremium abgelehnt. Leider ist es jedoch so, dass sie ja durch die Schaffung von privatrechtlichen Strukturen dafür gesorgt haben, dass einerseits hinter verschlossenen Türen im Aufsichtsrat – in dem wir nicht vertreten sind - über so etwas gesprochen wird und andererseits der Geschäftsführer das alleine entscheiden kann.

Womit wir hier beim Thema Demokratie angelangt sind.

Die von uns in der Vergangenheit immer wieder kritisierte Ausgliederung des Klinikbereichs in zahlreiche privatrechtliche Gesellschaften lehnen wir ab. Hier herrscht weder Transparenz, noch eine demokratische Kontrolle. Ein gutes Beispiel für mangelnde Transparenz gab es ja heute schon: Die Thematik Elektrobusse, wo mir genauso wenig wie der Öffentlichkeit bekannt ist, was dazu Frau Oehmke, Herr Hoffmann oder wer auch immer im Aufsichtsrat gesagt haben.

Andere Bereiche sind gänzlich oder zum großen Teil privatisiert und somit der demokratischen Kontrolle noch weiter oder komplett entzogen. Die Müllverbrennungsanlage ist hier sicherlich ein Beispiel. Im Übrigen ziehen dort die Miteigentümer jedes Jahr große Summen raus und verdienen richtig Geld mit der Entsorgung. Wir als Märkischer Kreis bekommen dagegen immer nur einen Kleckerbetrag. Leider gibt es da keine verbindliche Regelung auf höherer Ebene, so dass wir mehr oder weniger gezwungen waren, in diesem Konstrukt zumindest für 5 Jahre weiter zu machen.

Andere privatisierte Bereiche wie die Gebäudereinigung in unseren kreiseigenen Gebäuden oder die Aufsichtsdienste müssen ebenfalls dringend wieder rekommunalisiert werden. Warum können denn beispielsweise die privaten Reinigungsdienste billiger arbeiten? Das geht nur auf dem Rücken derjenigen, die dort arbeiten. Weniger Jobsicherheit, weniger Lohn, eine schlechtere Altersvorsorge und schlechtere Arbeitsbedingungen. Das ist definitiv etwas, was Sie – Sie haben ja gerade unseren Antrag diesbezüglich abgelehnt – mit ihrem Gewissen vereinbaren müssen.

Doch noch einmal zurück zum Begriff Demokratie:

Die Abstimmung über die Zukunft der Friedensschule war aus demokratischer Sicht zugleich Hoffnungsschimmer, wie auch Offenbarungseid. Hoffnungsschimmer deshalb, weil einige SPD Kollegen hier dem Antrag meiner Fraktion zugestimmt haben, die Friedensschule zu erhalten. In der Vergangenheit nahezu undenkbar, dass einzelne Vertreter von SPD oder CDU gegen die Linie der eigenen Fraktion abstimmen. Womit wir beim Offenbarungseid wären.

Der SPD-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Rothstein erklärte vor der Abstimmung, dass seine Fraktion die Abstimmung frei gegeben habe. Eine ähnliche Auffassung zu Abstimmungen gibt es ja auch im deutschen Bundestag. Da waren ja auch viele Abgeordnete erstmals in der Lage so abzustimmen, wie sich es für richtig halten und zwar, als Angela Merkel die Abstimmung über die Gleichstellungen von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften frei gegeben hat. Toll, soviel Mut!

Meine Damen und Herren und auch vielleicht für die anwesenden Pressevertreter: Man muss und kann keine Abstimmungen frei geben. gewählte Volksvertreter in Deutschland haben ein freies Mandat. Sie sind nur ihrem Gewissen verpflichtet. Einen sogenannten „Fraktionszwang“ gibt es rechtlich nicht. Es wäre schön, wenn dies auf allen Ebenen vom Stadtrat, über Kreis- und Landtage bis zum Bundestag verinnerlicht würde. Vielleicht käme man dann zu besseren Entscheidungen. Zumindest wären diese demokratischer.

Wir werden dies sicherlich in naher Zukunft mal wieder auf die Probe stellen, denn wir werden in jedem Fall einen neuerlichen Anlauf unternehmen, die KITA-Beiträge zu senken, um insbesondere Familien mit geringem Einkommen gänzlich frei zu stellen. Wir müssen hier endlich zu einer Verbesserung für die Familien im Märkischen Kreis kommen.

Ach, dabei fällt mir etwas ein: Es ist schon bezeichnend, dass ein CDU-Vertreter hier den Kreistag verklagt hat, um als Ausschussvorsitzender rund 5000 Euro im Jahr zusätzlich zu bekommen. Und gerade diese Person hat sich in der Vergangenheit gerne mitsamt der gesamten CDU-Fraktion gegen eine Anhebung der Beitragsfreigrenze gestemmt, die nicht viel mehr gekostet hätte. Aber das passt auch zur aktuellen Diätenerhöhung im Bundestag.

Und wo ich gerade beim Thema „Fraktionszwang“ war möchte ich gerne noch ein paar Sätze zum Stellenwert des Parteibuchs verlieren. Vor Kurzem war ich mal wieder bei der Konferenz der Ratsmitglieder beim Städtetag NRW. Die Interessenlage der kommunalen Familie ist doch eigentlich so homogen, dass aus den Kreisen, Städten und Gemeinden viel mehr Druck auf Bund und Land gemacht werden müsste, um endlich für eine auskömmliche Finanzierung zu sorgen.

Leider sitzen die meisten Vertreter, hier wie anderswo auch, in erster Linie für ihre Partei auf ihrem Stuhl. Dabei hat jeder Abgeordnete hier die Interessen des Märkischen Kreises zu vertreten und nicht die Interessen der CDU oder der Partei DIE LINKE. Deswegen passiert auch nichts. Wir verwalten Mangel. Deswegen sind kommunale Haushaltspläne völlig ambitionslos. Deswegen wird überall zu wenig investiert. Der Investitionsstau in den Kommunen wurde in 2016 auf 126 Mrd. Euro beziffert! Die Symptome werden auch regelmäßig benannt. So auch hier und heute wieder, in den Haushaltsreden von nahezu allen Fraktionen.

Würden Sie sich mehr für ihre Städte und Gemeinden und unseren Kreis einsetzen, dann würden sie sich mehr mit ihrer eigenen Partei in Bund und Land anlegen müssen, denn so geht es nicht weiter. Die Kassenkreditfalle droht nahezu allen Kommunen. Und nicht, weil wir hier im Kreishaus goldene Wasserhähne haben. Wir haben ja bislang nicht mal eine funktionierende Mikrofonanlage…

Den Kämmerer Fritz Heer muss ich hier zum zweiten Mal in Folge positiv hervorheben – ich hoffe, dass Ihnen das nicht zum Nachteil gereicht - weil er sich mal wieder nicht gescheut hat, bei seiner Rede zu Einbringung des Haushalts deutlich auf die unzureichende Finanzausstattung der Kommunen hinzuweisen.

Allerdings stellt auch er wieder die „sprudelnden Steuereinnahmen“ heraus, und lässt den Umstand außer Acht, dass trotz Überschüssen im Bund, die sich zu einem großen Teil aus Zinsersparnissen auf Kosten der Zukunft der Europäischen Union generieren, die öffentlichen Haushalte unterfinanziert sind. Auf allen Ebenen. Und das ist nicht vom Himmel gefallen, sondern Ergebnis verfehlter Steuerpolitik. Ob Panama Papers, Luxemburg Leaks oder jetzt die Paradise Papers. Das sind Ergebnisse von Politik, die sowas möglich macht. Und das ist eben eine Politik im Sinne der Finanzoligarchie. Solange keine andere Steuerpolitik betrieben wird, solange werden wir hier am Ende der Nahrungskette in die Röhre schauen.

Zum Schluss möchte ich noch auf zwei Dinge eingehen. Das eine mache ich recht kurz: Wir werden diesen Haushalt ablehnen. Solange Eltern im Märkischen Kreis bereits ab 1.250 Euro brutto im Monat Beiträge für KITA oder Offenen Ganztag zahlen müssen, solange öffentliche Aufgaben privatisiert sind und in GmbHs ausgegliedert werden, solange es für die Sportförderung nahezu keinen Euro im Haushalt gibt – kurzum: Solange wir hier weiter Mangel verwalten, wird es von uns keine Zustimmung geben.
Dennoch geht natürlich ein Dank an alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, die nicht nur bei der Aufstellung des Haushalsplanes sondern im ganzen Jahr eine gute Arbeit leisten!

 

Doch ich habe noch etwas, dass ich wichtiger finde als jährliche Haushaltsentwürfe. Vielleicht hat es etwas von der Tradition, die Cato der Ältere mit seinem Ceterum Censeo begründet hat.

 

Deutschland geht es nicht gut. Mittlerweile gibt es fast 900.000 Menschen in Deutschland ohne Wohnung. Tendenz steigend. Immer mehr Menschen arbeiten im Niedriglohnbereich, befristet und können von ihrer Arbeit nicht richtig leben. Immer mehr Menschen leben in Altersarmut und durch die vielen Niedriglöhner wird das in Zukunft dramatisch mehr werden. Immer mehr Menschen sind verschuldet. 40% der Menschen in Deutschland haben weniger Einkommen, als noch in den Neunzigerjahren. Es werden immer mehr vom Wohlstand abgekoppelt.

 

Auf der anderen Seite scheffeln einige Wenige Millionen und Milliarden ohne einen Finger krumm zu machen. Die zahlen zum Teil nicht einmal Steuern oder nur unerheblich wenig. Die entscheidende Frage unserer Zeit ist, neben der Frage wie wir mit unserer Umwelt umgehen, die Verteilungsfrage. Sorgen wir nicht für mehr Verteilungsgerechtigkeit, dann wird uns hier über kurz oder lang alles um die Ohren fliegen. Die EU zerfällt langsam, und da fällt einigen Leuten nichts Besseres ein, als erst einmal den Militäretat aufzustocken und eine EU-Armee zu fordern.

CDU und SPD wollen ja gerne weitere 30 Mrd. Euro ins Militär investieren.

Die 30 Mrd. Euro könnte man sinnvoller in den Frieden investieren, indem wir Bildung und den öffentlichen Nahverkehr kostenfrei machen und Geld in unsere Infrastruktur stecken und dafür sorgen, dass Menschen auskömmliche Renten bekommen. Und wenn die Herren Meininghaus und Rothstein fordern, mehr für die Sicherheit der Mitarbeiter usw. zu tun, dann sorgen Sie doch für mehr Zusammenhalt in der Gesellschaft, statt weiter eine von Ihren Parteien im Bund betriebenen Spaltung zu unterstützen. Das wäre ein Beitrag zu mehr Sicherheit.

Derzeit ist DIE LINKE die einzige Partei, die die Verteilungsfrage ernsthaft stellt. Ich hoffe, dass es so ist, wie in meinen Beispielen am Anfang. Hier dürfen sie gerne wieder bei uns abkupfern.

 

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen Allen schöne Feiertage.